25.04.07

Autobiographische Formen im Internet. Ein Beispiel: eternity4all.com

Wer auf der Suche nach Formen autobiographischen Erzählens und Darstellens das Internet durchforstet, wird auf der Internetpräsenz von eternity4all möglicherweise gefunden haben, wonach er sucht. Verblüffenderweise ist hier der Name keineswegs in einem irgendwie übertragenen Sinne zu verstehen: wer immer sich bereitfindet 300 US $/250 Euro zu überweisen, erhält einen begrenzten Raum für Text, Photos, Videos auf unbegrenzte Zeit, um sich zu Lebzeiten ein mediales Denk- bzw. Grabmal zu setzen. Juristisch ist die "Ewigkeit" freilich nicht nach Jahren zu definieren, stattdessen in Form einer Unternehmensverfassung, die ausgeklügelte Vorkehrung trifft, um unabhängig von finanziellen, technischen und persönlichen Wechselfällen eine tatsächlich ins Unendliche gedachte Kontinuität zu stiften. Zu einem bestimmten Zeitpunkt 'friert' der User seine Site ein, von nun an sind keine Änderungen mehr vornehmbar. Er muss sich damit sehr genau überlegen, was er als 'gültige Summe' seines Lebens festhalten will, eine Anforderung freilich, die neueren Schlagworten vom 'verunsicherten Ich' und von 'fließenden Identitäten' gründlich zuwiderläuft....

Unsere vorläufige These geht aus von der Beobachtung, dass es durchaus Angebote im Internet gibt, die in einem sehr engen Sinne als 'autobiographisch' bezeichnet werden können (vgl. dazu den Post Linklise). Diese 'Szene' scheint jedoch ein verhältnismäßig wenig dynamischer Bereich zu sein. Dem steht die geradezu explodierende 'Blogosphäre' gegenüber, das Blogging, das in einem moderneren Sinne, so unser Eindruck, durchaus einige Merkmale des Autobiographischen aufweist (Einheit von Autorname und dem "Ich-Erzähler", Betonung des subjektiven Erlebens, das Öffentlichmachen von Privatem; Dr. Jan Schmidt (Autor von Weblogs. Eine kommunikationssoziologische Studie. Konstanz 2006) ermutigt uns, diese Fragestellung weiterzuverfolgen. (Dazu: Antwort zu meinem Kommentar auf Jan Schmidts Blog).

Kurze Zusammenfassung - Webblogging:
Bei einem ersten, unbedarften Blick auf das Phänomen gewannen wir folgenden Eindruck: Weblogs sind
  • akkumulierend (Ansammlung von Posts); damit im Grunde häufig unübersichtlich.
  • ausgesprochen einfach - im Grunde von jedermann - zu erstellen
  • momentbezogen, (teilweise narrativ; retrospektives Erzählen als Abschweifen nur sporadisch)
  • oft themenzentriert: politisch, technisch, kulturell usw.
  • manchmal ein Psychogramm (wie geht es dem Blogger gerade?)
  • in der Regel ineinander verflochten (durch thematische oder personelle Bezüge; Links); die 'Blogosphäre' ist organisiert in Communities
  • sehen Leser-Kommentare vor
  • mehr und mehr ausdrücklich gebunden an eine tatsächliche Person, die ihren wirklichen Namen nennt (diese Tendenz, seine Daten/Identität öffentlich zu machen und sich mit dem eigenen (anstelle einer Reihe kontextbezogen erfundener) Namen online zu bewegen betont der Kommunikationssoziologe Dr. Jan Schmidt (Forschungsstelle "Neue Kommunikationsmedien" Bamberg) im Interview in der 3Sat-Sendung “Kulturzeit” (am 16.1.2007).

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